Gillesberg – das ist die Höhe

27.07.2022

Zur Zeit der Schlesischen Kriege entschloss sich das Habsburgerreich unter Maria Theresia und ihren einflussreichen Beratern zu einer umfassenden Heeres-, Wirtschafts- und Verwaltungsreform. Dazu gehörte auch eine erstmalig genaue, und in den Grundzügen noch heute bestehende, Landvermessung und Katasterführung.

Seither befindet sich in der derzeitigen Cabernet-Franc-Anlage ein alter Vermessungsstein, quaderförmig, oben giebelförmig zusammenlaufend. Dieser Stein, der auch dem Vermessungsamt in Eisenstadt am Herzen liegt, markiert den höchst gelegensten Punkt des Ruster Hotters (ein Hotter ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche einer Gemeinde).

Zirka 30 Meter östlich, also Richtung See, steht ein orange lackiertes Metallrohr mit Himmelsrichtungsviertelung, das den gegenwärtigen trigonometrischen Vermessungspunkt darstellt. Genau westlich von Rust gelegen, stellt der Gillesberg in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung dar.

Panorama Rust

Er lässt sich nicht in die althergebrachte „Fünf-Höhen-Stufennomenklatur“ einordnen, sondern liegt als 6. Terrasse über dem Geyerumriss und dem Geyer. Die Seehöhe beträgt 181 Meter über der Adria. Das klingt jetzt nicht besonders Respekt einflößend, wer den Gillesberg jedoch besteigt, kommt oben schnaufend an. Als eine der ganz wenigen Ruster Lagen blickt diese Riede nach Nord-Nord-Ost und gilt als sehr windig. Mit 1,64 Hektar Weinbaufläche zählt der Gillesberg zu den kleinsten Ruster Lagen.

Neue Reben braucht das Land

Im Winter von 2021 auf 2022 wurde ein neues, aufregendes Kapitel in unserer Herzensriede aufgestoßen. Lob, Dank, Ehre und Anerkennung an Hannes Schuster aus St. Margarethen, der die letzte Teilparzelle im Zuge der Betriebsauflösung des bisherigen Weingartenbesitzers erwarb und nach einigen kollegialen Gesprächen an uns weiterverpachtete! Und zwar mit alleiniger Kauf- und Tauschoption auf Lebenszeit plus Erben. Welch eine Emotion! Keine Siegertrophäe hat bisher derartiges hervorgerufen. Ein Drei-Generationen-Projekt kommt zum strahlenden Abschluss!

Danach ging es rasch ans Werk. Die alte, heruntergekommene Anlage mit 0,4 Hektar Jubiläumsrebe und anderem wurde gerodet. Gleichzeitig erfolgte die Bestellung von Petit-Manseng-Reben bei der Rebschule unseres langjährigen Vertrauens. Mehr zu Intention und Argumentation unserer Sortenwahl übrigens in diesem Beitrag.

Darüber hinaus ergab es sich im Gespräch mit Hans Moser, dem überaus rührigen und wortreichen Hauptbetreiber des Projektes „St. Georgenrebe“, auch einige Pflanzreben von der Mutterrebe des Grünen Veltliners auf Schieferverwitterung auszuprobieren. Viel spannender können selbst die Triebaumers nicht mehr.

Diese neue Parzelle weist wieder eine Art abgestufte Keilform auf. Um allzuviele „Zwickelreihen“ hintanzuhalten, fiel die Entscheidung, am westlichsten Rand eine Reihe Pekan-Nussbäume zu pflanzen. Denn in Zeiten des Walnusssterbens – eine Tragödie für sich – müssen auch hier Alternativen her.

Ein bisschen im Wald stehen

In den nächsten Wintern werden die anliegenden Wald- und Buschparzellen mit den Terrassenansätzen behutsam freigelegt und unter Schonung der interessantesten und gesündesten Bäume in eine lichte Baumböschung umgewandelt. Das macht einerseits die Begehung angenehmer, lässt die spezifische Historie leichter erklären und ermöglicht vielleicht auch den einen oder anderen halblegalen Guerilla-Waldweinbau-Versuch. Hier handelt es sich immerhin noch um herrlich strukturierte fast 6.000 m2. Weitere Kapitel nicht ausgeschlossen!

Bereits Riedenkarten des 18. und 19. Jahrhunderts weisen den Gillesberg in seiner heutigen Form aus. Somit zählt er zu den „alten Rieden“ aus einer Zeit, in der sich die Ruster mit Süßwein und Geschick ihre Sonderposition in der Region erarbeiteten.

Wie auch bei anderen Ruster Lagen bleibt die Namensherkunft des Gillesberg im Verborgenen.

Am Anfang war der Welschriesling

In den 30er-Jahren erwarb der damals noch junge Großvater Paul Triebaumer die erste Fläche in unserer Schiefer-Toplage. Bis zum Ende der 40er-Jahre, also in Zeiten der Hand- und Pferdearbeit, war die Lage wahrscheinlich in etliche Kleinterrassen gegliedert und flächenmäßig größer. Heute zeigt sich der steile, untere Teil, der zur Schafgrube nach Norden hin abfällt, von Akazien- und Holundergehölzen überwuchert.

Auf den Rainen zwischen den einzelnen Parzellen finden sich zwischen den Steinen immer wieder kleine Reben, die Günter in seinen Jugendjahren teilweise aufgepäppelt hatte – unter anderem St. Laurent, Zierfandler, Neuburger und Leányka (Mädchentraube).

Als wir 2007 die heutige Cabernet Franc-Fläche von Franz Steiner Senior kauften, erzählte er uns, dass er nach dem Krieg noch Terrassen bewirtschaftet hatte, sie aber mit dem Kauf des ersten Traktors aufgab. Auch nach gründlicher Nachschau fanden sich leider keine Rebstöcke mehr auf den eindeutig zu erkennenden Abstufungen im Gebüsch. Viel schlimmer noch: es existiert kein einziges Foto oder Dokument als Nachweis!

Bis in die späten 1980er bepflanzte Vater Paul den Gillesberg ausschließlich mit dem robusten Welschriesling, der in einer trocken vergorenen Variante auch als „Welschriesling Gillesberg“ vermarktet wurde und stets ein markanter, stahliger Weißwein war.

Auch der erste Flaschenwein des Betriebes, eine Welschriesling Spätlese 1976 kam von dort. 1979 firmiert seit jeher als exzellentes Weinjahr und vom Gillesberg, von der heutigen Syrahfläche, wurde eine 1979er-Erstlese Welschriesling Trockenbeerenauslese gekeltert: Ein legendärer Wein – heute madeirisiertaber aufgrund der stützenden Säure noch lebendig.

Zu dieser Zeit kamen die Erntehelfer einerseits aus dem steirischen Eisenerz, andererseits aus Mör, einer Donauschwaben-Weinbaugemeinde nördlich von Budapest.

Unvergesslich ist ein Erntetag in Erinnerung des 13-jährigen Buttenträgers Günter, als Maria , die kleingewachsene, aber sehr energische ungarische Partieführerin, eine eingetrocknete Botrytistraube hoch hielt und freudenstrahlend ausrief: „Premiumqualität“ und als Weinbaukundige die Hochklassigkeit des Materials meinte.

Guenther im Weingarten im Hintergrund der Gillesberg

Weinbaulich war die „Welschrieslingzeit“ insofern interessant, als diese Reben auf drei verschiedenen Erziehungsarten gezogen waren: die unterste, östlichste Parzelle, wo heute Syrah steht, als Freiträger- oder Eindrahtkultur, die westlich daran anschließende, heute mit Cabernet Sauvignon bestockt, als klassische mittelhohe Guyot-Erziehung und noch westlicher eine Vertiko-Kultur mit vertikalem Kordon. Diese dritte, 1981 gepflanzte Anlage, besteht noch heute, wurde allerdings in den frühen 2000ern auf eine mittelhohe Guyot mit vier Drahtpaaren umformiert und fast alljährlich zur Ausbruchproduktion herangezogen. Über alle Sorten hinweg gilt: die Nordostexposition mit prächtiger Aussicht und ständiger Windkühlung verzögert die Reife und verstärkt über eine verlängerte Reifeperiode die Fruchtpräsenz. Die äquivalente Wirkung des Lehms, der hier vollkommen fehlt, wird also durch klimatische Eigenart substituiert.

Das höchstgelegene Teilstück des Herrn Franz Steiner, der nur zwei Wochen nach dem Verkauf starb, war mit einem, wie so oft, neuburgerlastigen Gemischten Satz bestockt, der wegen der desolaten Unterstützungsanlage 2001 gerodet wurde. Davor hatten wir das Grundstück schon zugepachtet. Nach einer 7-jährigen Regenerationsphase mit extensivem Anbau von Klee und Leguminosen sowie Ölrettich gegen allfällige Nematoden zur Bodengesundung, erfolgte die Neuauspflanzung mit Cabernet Franc auf Kober 5 BB und die Errichtung eines Drahtrahmens aus Nirodraht.

Keile, Platten, Raubvögel – der Gillesberg ist anders

Betrachtet man den Gillesberg in seiner Flächenform aus der Vogelperspektive, so sieht er ein wenig wie ein stumpfer Keil aus. Am oberen südlichen Ende sind derzeit 27 Reihen zu zählen, am unteren 12. Wollte man jede Reihe ohne reversieren zu müssen befahren, bräuchte es einen sehr ausgeklügelten Plan. Dementsprechend diffizil waren auch die jeweiligen Auspflanzvorbereitungen – die Eindrücke der Seewinkler Rebsetzer oszillierten auch deswegen zwischen Erschrecken und Erstaunen.

Am Gillesberg „wachsen“ die Steine. Nach jeder Bodenbearbeitung kommen kopfgroße Brocken an die Oberfläche. Geht man die Nordseite entlang aufwärts, sieht man an den Böschungen das Resultat eines jahrzehntelangen Steineabklaubens - zugegebenermaßen hatten die Vorgenerationen mehr Zeit und Muße, die anfallenden Steinmengen zu Trockensteinmauern aufzuschichten, die heute teilweise noch zu sehen sind.

Im Unterschied zu den Ruster Lagen wie Vogelsang, Plachen ode Kraxner, die auf Ruster Schotter, einem durch Wassertransport abgerundetem Schiefergestein, standen, finden sich am Gillesberg vielmehr Schieferplatten. Das spricht zwar für tektonisches Druckmaterial, nicht aber für den Transport. Wie alle, dem Sandstein-Hauptzug des Ruster Hügellandes vorgelagerten Hügel, besteht auch am Gillesberg das postglaziale Ausgangsmaterial aus Schiefer, der im Lauf der letzten 10.000 Jahre verwitterte.

Beim auspflanzvorbereitendem Rigolen der Syrahteilfläche stieß selbst ein 140 PS-Traktor mit dem Pflug an seine Grenzen. Der Grund waren vier Schieferplatten mit den Ausmaßen von ca. 150 x 200 x 45 cm, die dann von einem Bagger geborgen werden mussten. Kein Wunder, dass eine Fläche von Welschriesling-Stöcken sich immer gelb verfärbte während alle umliegenden völlig normal grün blieben – die gelben standen auf dem „heißen Stein“.

Auch die umgebende Vegetation spielt bei dieser speziellen Lage eine nicht unwesentliche Rolle. Die Biotope aus Eichen, Akazien (=Robinien), Schlehdorn, Brombeeren, Holunder und Hagebutte (Hetscherln) dienen als Habitat für viele Raubvögel, wie Falke und Bussard. Genau deshalb kann man am Gillesberg mehr Risiko mit der Wahl des Erntezeitpunktes auf sich nehmen ohne aufwändig einnetzen zu müssen. Offensichtlich sind sich die Stare der Gefahr bewusst und weichen auf große, offene Rieden aus. Durch den Wind und das ausgeglichene Wachstum hält sich auch die Botrytisgefahr zu frühen Zeitpunkten in Grenzen.

Gillesberg Flasche mit Zutaten und Objekten

An den wenigen Stellen, wo sich Nährstoffe sammeln können, lässt sich mit ein wenig Glück Wildspargel finden. Im April gedeiht an diesen Stellen so viel Kerbel, dass man ihn mit der Sichel mähen könnte, und ganz saftige Brennnesseln. Auch Weingartenpfirsiche erlangen hier eine besonders intensive Aromatik.

Leider finden das auch die zahlreichen Rehe – die passen allerdings wieder gut zum Cabernet Franc!

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